Digitalisierung, Dekarbonisierung und New Work
Ein gesetzliches Ziel in Deutschland ist es, die Klimaneutralität des Bundes bis 2030 zu erreichen und eine Vorbildfunktion der öffentlichen Hand einzunehmen. Gleichzeitig sollen Impulse für Innovationen und weitere Aktivitäten gegeben werden.
Auf Unternehmensebene wird die ökologische Nachhaltigkeit zunehmend Teil der Unternehmensstrategie und ist eng mit der Thematik Corporate Social Responsibility verbunden (vgl. Dron et al. 2018). Für den Bereich der öffentlichen Verwaltung und somit als Strategie übertragbar steht die Gemeinwohlorientierung im Fokus. Alle Organisationen haben eine gemeinsame komplexe Aufgabe zu lösen: die digitale, ökonomische, ökologische, soziale sowie gesellschaftliche Transformation und deren Folgen müssen nahezu gleichzeitig bewältigt werden (vgl. HR-Report 2022). Angesichts der aktuellen Entwicklungen und der zu erwartenden Ressourcenknappheit wird sich der Handlungsdruck insbesondere bei der Dekarbonisierung bzw. Reduktion des ökologischen Fußabdrucks verschärfen. Rasches Handeln ist erforderlich. Dies ist in der Regel ein Erfolgskriterium für krisenfest gestaltete bzw. resiliente Organisationen.
Grünes Denken und Handeln erforderlich
Unternehmen wie Verwaltungen benötigen bei Transformationsprozessen und daher auch beim ökologischen Wandel gemeinsame Werte, gemeinsam getragene Handlungsprogramme und entsprechend motivierte und engagierte Beschäftigte über alle Altersgrenzen hinweg. Von ihnen wird zunehmend ein hohes Maß an Veränderungsbereitschaft und fähigkeit erwartet. Grünes Denken und Handeln sollten im beruflichen Alltag individuell aber auch auf Teamebene gefordert und gefördert werden. Dies setzt quasi als Vorbildfunktion auch ein ökologisches und nachhaltiges Handeln der Verwaltung und damit auch der Führungskräfte voraus.
Zeitgleich zu den aktuellen Herausforderungen setzt der Wandel in der Arbeitswelt (New Work) auf sinnstiftende Tätigkeiten, Partizipation, dem Wunsch der Mitarbeitenden, einen wichtigen Beitrag zur Gemeinwohlorientierung zu leisten, mehr Eigenverantwortung sowie Selbstorganisation der Beschäftigten. Dies trifft ebenso auf agile Teams zu, um Innovationen durch organisationsübergreifende Zusammenarbeit zu generieren. Diese Veränderungen lassen sich gut zur Gestaltung auch der ökologisch nachhaltigen Arbeitswelt nutzen. Neue Formen der Kooperation sowie Kollaboration sind erforderlich, um die fachlich komplexen Herausforderungen durch den Einsatz vielfältiger Kompetenzen zu meistern. In der nachstehenden Abbildung 1 sind die aktuellen Herausforderungen kurz zusammengefasst:
Abb.1:
Eigene Darstellung
Beschäftigte „mitnehmen“ – gar nicht so einfach
Die in „New Work“ verankerte Nutzer/Innenzentrierung ist ebenfalls entscheidend, um nicht am Bedarf vorbei Maßnahmen zu entwickeln. „Grüne Zirkel“, grüne selbstorganisierte Teams, Nachhaltigkeitsmanager/Innen mit teilweiser Freistellung, Klimabotschafter/Innen, Lotsen/Innen oder auch IT-gestützte Vernetzungsplattformen werden in Organisationen bereits eingesetzt (vgl. ARBEITSWELT-PORTAL). So sollen möglichst viele Ideen, Wünsche, Belange aber auch Erfahrungen bei konzeptionellen Weiterentwicklungen aufgenommen werden. Zugleich sind sich hier engagierende und motivierte Beschäftigte auch gute und überzeugende Promotoren/Innen, um den Veränderungsprozess mit Blick auf die Klimaziele nachhaltig zu unterstützen Von Beschäftigten selbst organisierte Tauschbörsen sowie Aktionstage sind weitere bereits in der Praxis erprobte Beispiele.
Vielfalt und Gender Mainstreaming
Insgesamt gilt es auch, die Vielfalt in der Belegschaft zu nutzen und das Diversitätsmanagement aktiv einzubeziehen. Die Gender Mainstreaming Perspektive ist wegen unterschiedlicher Verhaltensweisen und Einstellungen zwischen den Geschlechtern beim ökologischen bzw. umweltfreundlichen Umbau von Bedeutung. Digitalisierung, Demographie, Diversität und Dekarbonisierung bedürfen einer „ganzheitlichen“ Vorgehensweise, um auch Synergieeffekte zu schaffen.
Das neue Portfolio : Grünes Personalmanagement
Noch stehen häufig in vielen Organisationen klimarelevante Aktivitäten insbesondere mit dem Ziel der CO2-Emissionsreduktion auf den Gebieten Liegenschaften, „Grüne-IT“, Mobilität, Beschaffung, Veranstaltungswesen, Kantinen, Dienste und Produkte auf der Agenda. Immer mehr Unternehmen aber auch Verwaltungen machen nicht nur bei der Digitalisierung die Erfahrungen, dass ein Wandel in der Arbeitswelt besser über die Beteiligung und Begleitung der Mitarbeitenden nachhaltig erreicht werden kann. Eine veränderte Form von nachhaltiger Führung und Zusammenarbeit (Vorbildfunktion der Führung), entsprechende grüne Kompetenzen, grüne Werte und Einstellungen sowie ein entsprechendes Change-Management sind erforderlich, um auch die Verwaltungen ökologisch nachhaltig zu verändern und zu gestalten. Diese müssen sich zudem als attraktive Arbeitgeberinnen positionieren – hier liegt die Idee einer „grünen Arbeitgebermarke Verwaltung“ nahe.
Vom Employer Branding über Qualifizierung bis zum Gesundheitsmanagement
Ein relativ neues Handlungsfeld, auch für die Forschung, ist daher die Ausgestaltung eines grünen Personalmanagements (Green Human Resources Management – GHRM). Es ist Teil eines häufig bereits in Strategien verankerten nachhaltigen Personalmanagements (vgl. Hornung, 2020). Nach Renwick werden darunter alle Maßnahmen und Handlungsfelder (Employer Branding, Rekrutierung, Qualifizierung, Personalentwicklung, Führungskräfteentwicklung, Anreizsysteme aber auch das Gesundheitsmanagement) verstanden, die das Ziel der ökologischen Nachhaltigkeit verfolgen (vgl. Renwick et al. 2013). Das Personalmanagement kann hierüber aktiv zur Gesamtzielerreichung in Sachen Nachhaltigkeit beitragen und Prozesse unterstützen. Jede Aktivität auf welcher Ebene auch immer hilft, die nationalen bzw. globalen Ziele zu erreichen.
Abb. 2 gibt hierzu einen Überblick:
Eigene Darstellung
Kulturwandel ist der Schlüssel zum Erfolg
Eine wesentliche Aufgabe des grünen Personalmanagements ist die (Mit)Gestaltung einer „grünen Kultur“, die umweltfreundlichen Haltungen, Einstellungen und Werte bei den Beschäftigten voraussetzt. Wie schon bei der Digitalisierung oder dem Diversitätsmanagement müssen Mitarbeitende wie Führungskräfte befähigt, begleitet und auf ihre Aufgabe vorbereitet werden. Des Weiteren besteht die Aufgabe auch in der Sensibilisierung der Belegschaft für ökologische Belange und Förderung der Bereitschaft, den ökologischen Fußabdruck mit Blick auf das eigene Handeln zu verringern. Positive Auswirkung auf das Engagement der Beschäftigten und damit auf die Performanz dürfte die Folge sein.
Nachstehend sind die wesentlichen Ziele eines „Grünen Personalmanagements“ in Abb. 3 kurz zusammengefasst (vgl.Dron et.al. 2018; Wirtschaftsförderung Region Stuttgart 2022):
Abb.3:
Eigene Darstellung
Entsprechende Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit, die Anforderungen sowohl an Führungskräfte wie Mitarbeitende formulieren, könnten hier die gewünschte Transparenz schaffen.
Das Personalmanagement sollte daher ein wichtiges Handlungsfeld eines Umweltmanagements sein, welches Organisationsentwicklung und Personalentwicklung zusammenführt.
Erwartungen an ein grünes Personalmanagement
In fast allen Handlungsfeldern bzw. Prozessfunktionen eines Personalmanagements sind Aktivitäten erforderlich. Sie werden nachstehend kurz skizziert.
Grüne Arbeitgebermarke /Rekrutierung
Es beginnt mit dem Personalmarketing bzw. mit dem Employer Branding, um neue Talente mit passgenauen personalen Kompetenzen sowie umweltorientierten Werten und Einstellungen zu rekrutieren. Vorzugsweise sind diese Anforderungen auch schon in kompetenzbasierten Jobprofilen hinterlegt. Es gilt auch, die Potenzialanalyse im Auswahlverfahren zu optimieren, um mehr über umweltfreundliche Einstellungen und Haltungen von Bewerbern und Bewerberinnen zu erfahren. IT-basierte Kompetenz-Selbstchecks bieten weitere Alternativen u.a. im Rahmen der Vorauswahl.
Deshalb wird in Zeiten des Fach- und Nachwuchskräftemangels sowie des Führungskräftemangels die Positionierung der Verwaltung als „grüne Arbeitgeberin“ zunehmend wichtiger. So werden Aktivitäten im Bereich Umweltmanagement bereits in Stellenausschreibungen aufgenommen oder es wird auf Umweltreports verwiesen. Die „richtige“ Kommunikation sowie das Marketing werden zu Erfolgsfaktoren, neue Bewerber/Innen-Potenziale zu erschließen. Die real gelebte Kultur ist dann später auch wichtig, Talente zu binden (vgl. Likhitkar, P. et al. 2017).
Letztendlich können auch E-Recruiting-Verfahren durch die Reduktion von Reisen zu Vorstellungsgesprächen (Online-Bewerbungsgespräche), der Wegfall von Kopien und weitere Papiereinsparungen selbst einen eigenen Beitrag leisten. Hier hat sicherlich die Pandemie eine gewisse Schubwirkung entfacht, auch diese Möglichkeiten zu überdenken statt am Präsenzverfahren festzuhalten.
Ausbildung & Qualifizierung & Führungskräfteentwicklung
Maßnahmen zum Erwarb von Fach- und Methodenkompetenz (Umweltkompetenzen) sind je nach Anforderung des Dienstpostens notwendig. Ziel ist auch die Sensibilisierung für ein umweltschonendes Bewusstsein und Handeln zum Beispiel über informelle Formate. Kulturprägung beginnt mit der Integration relevanter Themen in die Ausbildung bzw. des Studiums oder gerade nach der Rekrutierung von Externen mit dem Onboarding-Prozess. Projekte von Auszubildenden oder Studierenden sind weitere praxisnahe Alternativen.
Zusätzlich ist die Bereitstellung von entsprechendem Infomaterial zur Veränderung von Verhalten und Einstellungen empfehlenswert. Blended Learning, Learning Nuggets, Networking etc. bieten weitere ergänzende Möglichkeiten einer berufsbegleitenden Qualifizierung.
Gleiches trifft auch auf die Führungskräfteentwicklung zu – insbesondere ist die transformationale Führung zu stärken. Hier kommt den Führungskräften eine entscheidende Rolle zu, die „Herzen“ der Mitarbeitenden für die (ökologischen) Nachhaltigkeitsziele zu gewinnen. Ergänzend sind PE-Instrumente wie Mentoring, Coaching, organisationsübergreifendes Networking wichtig. Trainings zum Umweltmanagement oder das Generieren von innovativen Ideen sowie die Förderung des Wissenstransfers zwischen den Generationen sind ebenfalls zu empfehlen, um der „Unconscious-Bias Falle“ zu entgehen. Gerne wird spekuliert, ob mit dem verstärkten Abgang der Baby-Boomer Nachhaltigkeit automatisch zum Selbstläufer wird.
Insgesamt können auch agile Arbeitsformen dazu beitragen, das Lernen in anderen Kontexten zu fördern. Grüne und intergenerativ besetzte Teams sind zum Beispiel eine weitere Alternative. Ebenso der Einsatz von Design Thinking.
Personalentwicklung
Neben den klassischen Funktionen eines Talentmanagements ist die Definition von zukunftsrelevanten Kompetenzen, ggf. über ein Kompetenzmodell oder die Beschreibung von Rollenfunktionen wichtig. Grüne Kompetenzen könnten hierüber, in Jobprofilen verankert, die HR-Prozesse aber auch die Organisationsentwicklung unterstützen. Dies schafft Transparenz bezüglich der Erwartungshaltungen und unterstützt auch die Führung in der Kommunikation ihrer daraus abgeleiteten Anforderungen. Grüne Kompetenzen bzw. auch ein Feedback zum eigenen nachhaltigen Verhalten können als Kriterien in Beurteilungssysteme, in Führungskräfte-Feedbacks oder andere Feedback-Systeme aufgenommen werden. Dies trägt auch zur Sensibilisierung von Umweltaspekten und internen Handlungsprogrammen bei.
Mentoring-Programme könnten um den Aspekt „Ökologische Kulturbildung“ ergänzt werden, weil sich dieses PE-Instrument wiederholt als wichtig erwiesen hat.
Performance-Management
Abschließend werden auch die Möglichkeiten diskutiert, neben non-monetären Anreizen das Zielmanagement insgesamt zu überdenken, um darin Nachhaltigkeitsziele zum Beispiel bei individuellen Zielvereinbarungen mit Führungskräften zu verankern. Im Kern geht es bei Diskussionen um die Frage, „ökologisches und nachhaltiges Verhalten“ und damit das persönliche Engagement für die Sache individuell zu belohnen. Nachhaltigkeit könnte hier Teil der Führungsleistung und damit der leistungsorientierten Bezahlung werden.
Online-Seminar beim European Institute of Public Administration (EIPA)
Die hier nur kurz aufgelisteten Handlungsoptionen sind sicherlich nicht abschließend aufgelistet. Je nach Aufgabe, Traditionen und Erfahrungen sowie der „gelebten Kultur“ in einzelnen Verwaltungen müssen individuelle Handlungsoptionen vom Personalmanagement entwickelt werden, um die Leitungsebene sowie die Mitarbeitenden zu unterstützen.
Am 19.05.2022 findet hierzu erstmalig ein Online-Event bei EIPA zum Thema „Grünes Personalmanagement“ statt. Die Teilnahme ist kostenlos. Eine Anmeldung kann hier erfolgen.
Von Beatrix Behrens
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References:
ARBEITSWELT PORTAL: Grünes Engagement von Beschäftigten stärken- Instrumente für die Unternehmenspraxis/ So nutzen Firmen die Nachhaltigkeitsideen ihrer Beschäftigten (arbeitswelt-portal.de)
Dron, M.-D., Müller-Camen, M., Obereder, L. (2018). Green HRM. In: Covarrubias Venegas, B., Thill, K., Domnanovich, J. (Hrsg). Personalmanagement. Internationale Perspektiven und Implikationen für die Praxis. Wiesbaden. Springer Gabler.
Hornung, St. (2020). Green HR: Prof. Müller-Camen im Interview /Haufe/Personal. „Der Grat zum Greenwashing ist schmal“. 30.01.2020. https://www.haufe.de/personal/hr-management/green-hr-prof-mueller-camen-im-interview_80_508572.html
HR-Report (2022). Organisationen unter Druck, Zu wenig Zeit, Geld, Personal- wie die Pandemie den Kampf um knappe Ressourcen beeinflusst. Eine empirische Studie des Instituts für Beschäftigung und Employability IBE und Hays. hays.de/hr-report.
Likhitkar, P., Verma, P. (2017). Impact of green HRM practices on organization sustainability and employee retention. International Journal For Innovative Research in Multidisciplinary Field. ISSN-2455-0620, 3(5), May.
Renwick, D.W.S., Redman, T. Maguire, S. (2013). Green human resources management: A review and research agenda: Green human resource management. International Journal of Management Review, 15 (1), 1-14.
Wirtschaftsförderung Region Stuttgart (Hrsg.) (2021): Talente. Personal gewinnen, entwickeln, binden. Arbeitswelt gestalten. Ausgabe 2