Forschungsberichte zur Arbeit im Homeoffice: Eine kritische Übersicht

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1. Einleitung

Während der Corona-Krise stieg in vielen Ländern der Anteil der Beschäftigten, die von Zuhause aus arbeiten. Während in Deutschland vor der Pandemie 12 Prozent der Beschäftigten im Homeoffice arbeiteten, erhöhte sich dieser Anteil während des teilweisen Lockdowns im April 2020 auf 35 Prozent.1
Laut einer Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB) durchgeführten Umfrage wurde die Möglichkeit, von Zuhause aus zu arbeiten, vor der Krise von 56 Prozent der Beschäftigten nicht genutzt, während im Mai 2020 lediglich 18 Prozent ausschließlich im Büro arbeiteten. Für die USA berichtet Bloom dass in der Zeit vom 21. bis 25. Mai 2020 42 Prozent aller Beschäftigten Vollzeit von Zuhause aus arbeiteten2. Er weist darauf hin, dass die Corona-Situation ohne die Möglichkeit, im Homeoffice zu arbeiten, weitaus schlechter gewesen wäre. Angaben des norwegischen Statistikamtes zeigen, dass nicht alle Beschäftigten ihre eigene Arbeitseffizienz im Homeoffice als geringer wahrnehmen als im Büro3. Kunze et al stellen auch fest, dass die wahrgenommene Produktivität und das Engagement im April 2020 höher waren, dies in Zukunft jedoch mit einer höheren Burnout-Quote und mehr Arbeitsstunden einhergehen wird4. Obwohl die Pandemie dem Arbeiten im Homeoffice einen deutlichen Impuls gegeben hat, sind viele Beschäftigten nach dem Lockdown an ihre Arbeitsplätze im Büro zurückgekehrt. Aktuell wird angesichts steigender Fallzahlen wieder stärker mobil gearbeitet und auf Präsenz weitgehend verzichtet. Laut der Mannheimer Corona-Studie lag der Anteil der Beschäftigten in Deutschland, die von Zuhause aus arbeiteten, mit 28 Prozent geringfügig unter dem Anteil während des Lockdowns, und dass, obwohl viele Unternehmen ihre Mitarbeiter nicht zur Rückkehr ins Büro aufgefordert hatten. Daher ist es wichtig, die potenziellen Nachteile des Arbeitens im Homeoffice zu verstehen und Maßnahmen zu ergreifen, um diese Nachteile abzuschwächen.5
Das vorliegende Papier ist wie folgt aufgebaut: Im zweiten Teil präsentieren und diskutieren wir die Erfahrungen der Beschäftigten mit der Arbeit im Homeoffice. Die empirischen Belege auf der Grundlage von Daten wurden insbesondere in privaten Unternehmen und Betrieben während der Corona Krise (erste Welle) gesammelt. Anschließend richten wir im dritten Teil den Fokus auf die Perspektive der Arbeitgeber. Im vierten Teil werden wir kurz darlegen, welche Lehren bezüglich der Schaffung künftiger attraktiver Arbeitsbeziehungen und -bedingungen und der Notwendigkeit von transformationaler Führung bzw. inspirierender Führung gezogen werden können. Der fünfte Teil nennt einige Implikationen für weitere Forschung und Personalführung in der Praxis.

2. Erfahrungen von Beschäftigten mit der Arbeit im Homeoffice

Die Umfrage „Linked Personnel Panel“, die 2016 und 2017 vom Institut für Arbeitsmarktforschung (IAB), der Universität Köln, der Universität Tübingen und dem Centre of European Economic Research unter Arbeitgebern und Arbeitnehmern durchgeführt wurde, ergab, dass Arbeiten von Zuhause aus in Deutschland relativ selten vorkam.6 Die Ergebnisse zeigen, dass die Beschäftigten der Ansicht sind, dass Arbeiten im Homeoffice ihre Leistung verbessert (56 Prozent), durch Wegfall der Anfahrt Zeit spart (55 Prozent), das Gleichgewicht zwischen Arbeits- und Privatleben verbessert (52 Prozent) und die Arbeitszeit erhöht (38 Prozent). Grunau et al., untersuchen den Einfluss der Informations- und Kommunikationstechnologie auf die tatsächlichen Wochenarbeitsstunden.7 Ihre Studie zeigt, dass die Beschäftigten pro Woche ungefähr 30 Minuten länger arbeiten, wenn sie bei der Arbeit moderne digitale Technologien nutzen. Grunau et al., stellen fest, dass Beschäftigte, die gerne im Homeoffice arbeiten würden, denen der Arbeitgeber diese Möglichkeit jedoch nicht bietet, unzufriedener sind, und finden auch in Bezug auf die Wahrnehmung von Fairness durch die Beschäftigten ähnliche Ergebnisse.8 Dies deutet auf das Problem hin, dass in Bezug auf den Zugang zu Homeoffice-Arbeitsmöglichkeiten Ungleichheit besteht.
Allerdings gibt es auch negative Erfahrungen: Bestimmte Aufgaben können nicht von Zuhause aus durchgeführt werden (76 Prozent), die Vorgesetzten präferieren die Anwesenheit im Büro (66 Prozent), die Zusammenarbeit ist schwierig (59 Prozent), die Trennung von Arbeits- und Privatleben ist ein Problem (56 Prozent), die technischen Voraussetzungen sind nicht vorhanden (54 Prozent) und manchmal ist Arbeiten im Homeoffice nicht erlaubt (16 Prozent).
Zu den Nachteilen der Arbeit im Homeoffice gehört, dass die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit unscharf werden, was dazu führt, dass die Zufriedenheit mit der Arbeit abnimmt und dass durch die unscharfen Grenzen Konflikte zwischen der Arbeit und dem Familienleben zunehmen.9 Suh und Lee zeigen, dass Technostress von der Intensität der Telearbeit abhängt.10
Gajendran und Harrison untersuchen die relationale Verarmung am Arbeitsplatz.11 Daft und Lengel richten sich auf die potenzielle Schwächung der zwischenmenschlichen Beziehungen innerhalb der Arbeitsteams.12 Bellmann und Widuckel führen an, dass Beschäftigte mit sozialen Problemen im Team (die Opfer von Mobbing) möglicherweise öfter zu Hause arbeiten als andere.13
Aufgrund des von Demerouti et al., entwickelten Arbeitsanforderungen-Arbeitsressourcen-Modells können mehr Autonomie, vor allem zeitlich flexibles Arbeiten, Zeitsouveränität und das Erreichen beruflicher Ziele die Arbeitszufriedenheit steigern und berufsbedingten Stress reduzieren. Allerdings ergeben empirische Studien auch entgegengesetzte Resultate.14
Offensichtlich ist es relevant, ob die Arbeit von Zuhause aus während oder außerhalb der herkömmlichen Arbeitszeiten durchgeführt wird, weil der Grad der Erschöpfung unterschiedlich ist.15 Arnold et al., kommen zu dem Schluss, dass Arbeiten außerhalb der vertraglichen Arbeitszeit und unbezahltes Arbeiten die Zufriedenheit mit der Arbeit verringern.16 Bellmann und Hübler bestätigen dieses Ergebnis.17

3. Aus der Sicht von Betrieben

Die Perspektive der Arbeitgeber/Innen wurde in der oben in diesem Papier bereits erwähnten Linked Personnel Panel-Umfrage untersucht. Die Vertreter/Innen von Betrieben nennen als positive Aspekte vor allem die Flexibilität für die Beschäftigten (62 Prozent) und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie (55 Prozent), danach die Erreichbarkeit der Beschäftigten (47 Prozent), höhere Produktivität (45 Prozent), Fahrzeitersparnis (36 Prozent), Steigerung der Attraktivität des Arbeitgebers (39 Prozent), den ruhigeren Arbeitsort (26 Prozent) und die Optimierung der Büroflächennutzung (10 Prozent).
Ebenso wie die Arbeitnehmer/Innen nennen auch die Vertreter/Innen der Betriebe einige negative Erfahrungen, vor allem das Problem, dass manche Tätigkeiten ein Arbeiten von Zuhause aus nicht zulassen (90 Prozent), dass die Zusammenarbeit mit Kollegen/Innen schwierig ist (22 Prozent), dass es Bedenken in Bezug auf den Datenschutz gibt (16 Prozent), dass Führung und Kontrolle nicht möglich sind (10 Prozent), dass die Beschäftigten nicht interessiert sind und dass die technischen Voraussetzungen fehlen (9 Prozent).

4. Gewonnene Erkenntnisse – aus Sicht der Praktiker

Die öffentliche Verwaltung hat bewiesen, dass sie agiler reagieren kann als die Öffentlichkeit dies im Allgemeinen vermutet. Um ein hohes Niveau an operativer Leistungsfähigkeit und Serviceorientierung beizubehalten, wurden die Möglichkeiten für mehr Flexibilität in Bezug auf Arbeitszeit und Arbeitsort erweitert. Das Homeoffice wurde ein wichtiges Element der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie oder zur Sicherstellung der Geschäftskontinuität.
Es besteht kein Zweifel daran, dass die COVID-19-Pandemie die Digitalisierung beschleunigt. Allerdings erhöhte sich durch die Auswirkungen der Pandemie auch der Handlungsdruck, um Maßnahmen zu ergreifen, die auch neue Formen der digitalen Kommunikation, Vernetzung und Zusammenarbeit sowie die virtuelle Mitarbeiterführung unterstützen.
Diese Entwicklung muss – zusätzlich zum Krisenmanagement in Zeiten der Pandemie – auch im breiteren Kontext administrativer Reformen und der Positionierung der Verwaltung als attraktive und konkurrenzfähige Arbeitgeberin am Arbeitsmarkt betrachtet werden. Dabei müssen auch Veränderungen in der Gesellschaft und in der Arbeitswelt berücksichtigt werden. Abgesehen von den Erfahrungen mit COVID-19 werden sich auch die Einstellungen von Beschäftigten aller Generationen ändern. Insbesondere junge Talente wünschen sich flexible Arbeitsbedingungen und ein ausgewogenes Verhältnis von Berufs- und Privatleben. Die wichtigsten Merkmale dieser Veränderung sind in zunehmendem Maße die Flexibilität von Arbeitszeit und -ort, Kooperation/Kollaboration, die Stärkung der Selbstorganisation und Eigenverantwortung von Beschäftigten für ihre eigene Karriereplanung sowie lebenslanges Lernen. Dies macht die Unterstützung durch Vorgesetzte und das Personalmanagement erforderlich.
Aus diesem Grund wird das Homeoffice wahrscheinlich nicht länger nur ein Instrument zur Förderung der besseren Vereinbarkeit von Arbeits- und Privatleben oder zu mehr Geschlechtergleichstellung sein. Im Kontext von New Work wird sich dieses zu einer neuen Form des Arbeitens und Zusammenarbeitens in agileren, virtuellen Strukturen und Teams schrittweise weiterentwickeln. Flexible Arbeitsbedingungen (jederzeit, an jedem Ort und mit jedem zusammenarbeiten) besitzen das Potenzial, in Zukunft die „neue Normalität“ und ein Element der digitalen Organisationskultur zu werden. In vielen Fällen muss eine eher präsenzorientierte Kultur hin zu einer Kultur des Vertrauens, der Wertorientierung und des Dialogs weiterentwickelt werden. Führungskräfte werden damit konfrontiert, dass sie eventuell weniger Kontrolle als gewohnt ausüben können. Da die Ausbreitung der Pandemie schnelles Handeln erforderte, wurde bislang nur wenig unternommen, um die digitale Kultur in den Organisationen als Basis für erfolgreiches Handeln zu gestalten.vgl.18
Das Ergebnis wird ein verändertes Verständnis von Führung und Zusammenarbeit sein. New Work erfordert die Formulierung von Werten zur Orientierung und einen Führungsstil, bei dem die Haltung der Beschäftigten durch Transformation oder Inspiration verändert werden. Es gilt zudem, und deren Herzen in einer Zeit der kontinuierlichen Veränderung durch mehr Sinnstiftung zu gewinnen. Führungskräfte werden noch geraume Zeit die analoge und die digitale Welt managen müssen. Die „beidhändige Führung“ (Ambidextrie) wird zur großen Herausforderung und wird sehr stark insbesondere das Mittelmanagement fordern. Darüber hinaus muss in den Organisationen s auch eine Kultur des lebenslangen Lernens gestaltet werden. Gute Arbeitsbeziehungen und -bedingungen sowie eine wertorientierte Kultur sind wichtige Stellhebel zur Förderung des Engagements aller Mitarbeitenden in jedem Alter.

5. Schlussfolgerungen

Neuere empirische Studien belegen, dass Reboarding von Beschäftigten in vielen öffentlichen und privaten Organisationen an Bedeutung gewonnen hat. Daher sind Studien zu den mit der Arbeit im Homeoffice verbundenen Vorteilen und Problemen ganz wichtig.
Die positiven Erfahrungen der Beschäftigten erhöhen nicht nur die Zufriedenheit mit der Arbeit, sondern tragen beispielsweise auch zur Produktivität der Arbeitgeber/Innen und zur Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben bei. Die Schwachstellen beim Arbeiten von Zuhause aus sind sowohl die potenziell verschwimmende Grenze zwischen Arbeit und Freizeit als auch die geringere Möglichkeit, sich vom Stress zu erholen.
Bei der künftigen Ausgestaltung von Arbeitsplätzen, zeitlicher Flexibilität und der Organisation der Arbeit sollte berücksichtigt werden, dass die Zahl der Beschäftigten, denen das Arbeiten von Zuhause aus erlaubt wird, erhöht werden könnte, ohne dass dabei notwendigerweise die Zahl der Beschäftigten steigt, die Vollzeit von Zuhause aus arbeiten.19
Um die digitale Transformation zu unterstützen, benötigen HR-Managementsysteme einen holistischen Ansatz. Alle Prozessfunktionen im HR-Management sind davon betroffen und müssen strategisch und konzeptionell verbunden werden: Personalrekrutierung, Ausbildung/Studium, Qualifizierung, Personalentwicklung, Gesundheitsförderung sind zum Beispiel davon betroffen.
Aus den Erfahrungen, die bislang in der Corona-Krise gesammelt wurden, kann der Schluss gezogen werden, dass die folgenden Maßnahmen sowohl für das Krisenmanagement als auch für die Gestaltung moderner Arbeitsbedingungen relevant sind:

  • Kultur, Mitarbeiterführung und Zusammenarbeit – Transparenz mit Hilfe veröffentlichter Richtlinien zu Mitarbeiterführung und Kooperation 20
  • Personalrekrutierung auf der Grundlage von Kompetenzen, die für die Zukunft relevant sind (Kompetenzen für eine moderne und digitale Arbeitswelt)
  • Bildung, Studium, Lernen (Blended Learning, Lernen in neuen Umgebungen oder Vertrautheit mit neuen Innovationstool wie etwa Design Thinking und Scrum, wo angezeigt)
  • Personalentwicklung ( zum Beispiel optimierte Prozesse zur Potenzialanalyse, Selbst-und Fremdeinschätzungsmöglichkeiten, Führungskräfteentwicklung , intergenerationales Lernen)
  • Organisatorische Entwicklung (Aufbau belastbarer Organisationen durch eine stabile, moderne Infrastruktur wie IT und Raumgestaltung zur Förderung von
  • Innovationen und neuen Formen der Zusammenarbeit)
  • Kommunikation (IT-Unterstützung, um virtuelle Formen der Zusammenarbeit und kollaborative Prozesse zu fördern)

Eine Schlussfolgerung kann gezogen werden: Damit Arbeiten im Homeoffice in Bezug auf die Wertorientierung der öffentlichen Verwaltung, aber auch von Wirtschaftsunternehmen, effektiv und effizient ist, sind klare Regelungen notwendig.

 

Forschungsberichte zur Arbeit im Homeoffice

 

 

Dieser Blog stellt die Meinung des Autors dar und spiegelt nicht grundsätzlich die Meinung des EIPA. 

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