Vorab die Antwort: Die alt bekannten werden in Teilen auch die neuen Herausforderungen sein – in unterschiedlicher Intensität sowie Komplexität und bei zunehmender Digitalisierung und Internationalisierung. Die Anforderungen insbesondere an Rekrutierung und Bindung der Beschäftigten werden steigen.
Die Herausforderungen der 3 Ds
Neben den aktuellen pandemiebedingten Herausforderungen muss sich das Personalmanagement der öffentlichen Verwaltung weiterhin den Herausforderungen und Chancen der 3Ds nahezu gleichzeitig stellen: Diversität, Demografie und Digitalisierung. Über ein viertes D wird bereits im Kontext von New Work diskutiert: Demokratie im Sinne von agileren und von Partizipation und Eigenverantwortung geprägten Strukturen einer modernen Aufbau- und Ablauforganisation. Die zunehmende Individualisierung im Personalmanagement sowie ein sich abzeichnender Wertewandel zwischen den Generationen erfordern ebenfalls neue Lösungsansätze.
Diversität managen – Beschäftigungsfähigkeit fördern
Nicht nur die Gesellschaft wird vielfältiger und „bunter“, sondern auch die Belegschaft. Die Förderung der Gleichstellung sowie von Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Chancengleichheit, die Inklusion schwerbehinderter Menschen, die verstärkte interkulturelle Öffnung aber auch alle Aspekte von LGBTQI erfordern ein professionelles Diversitätsmanagement. Es gilt, die vielfältigen und unterschiedlichen Kompetenzen von Bewerbern/Innen und der Mitarbeitenden zu gewinnen und zu fördern. Rekrutierung, Qualifizierung sowie Personalentwicklung sind in einem modernen und ganzheitlichen Verständnis von Talentmanagement gleichermaßen gefordert. Dies trifft auch auf die langfristige Mitarbeiterbindung zu. Insgesamt sollte die Beschäftigungsfähigkeit -Kompetenz, Gesundheit, Engagement- in jeder Lebensphase gefördert werden. Eine von Wertschätzung und Respekt geprägte Kultur von Führung und Zusammenarbeit ist eine grundlegende Voraussetzung dafür.
Lebensphasenorientiertes Personalmanagement und Wissenstransfer
Auch bleiben die Herausforderungen des demografischen Wandels u.a. im Kontext verlängerter Lebensarbeitszeiten bestehen. Mit Blick auf die zu erwartende hohe altersbedingte Personalfluktuation in den kommenden Jahren droht ein Wissensverlust, der nicht nur Erfahrungswissen umfasst. Ältere bzw. erfahrene Beschäftigte wünschen sich zudem nicht nur Wertschätzung – sie möchten auch ihr Wissen an die Jüngeren weitergeben. Steuert man heute vielfach die Ressourcen in Richtung Onboarding von neuen Mitarbeitenden so erscheint es ebenso von Bedeutung, den Eintritt in den Ruhestand qualifiziert zu begleiten und auch ein gut strukturiertes System für den Wissenstransfer als PE-Instrument zu implementieren. Dies entfaltet nur Wirkung, wenn sich Beschäftigte aktiv und offen einbringen und Führungskräfte dies unterstützen. Eine Verabschiedungskultur ist notwendig. Jedem Offboarding folgt in der Regel ein Onboarding!
Eigenverantwortung und Selbstorganisation fördern (Empowerment)
Die moderne Arbeitswelt wird, wie eingangs erwähnt, durch mehr Eigenverantwortung, Selbstorganisation, Partizipation sowie sich verändernde Formen der Zusammenarbeit und Kommunikation geprägt sein. Mit Blick auf die sinkende Halbwertzeit des Wissens wird die Eigenverantwortung der Beschäftigten für ihre individuelle Entwicklung zu stärken sein, ebenso deren Bereitschaft zum lebenslangen Lernen. Wissen veraltet immer schneller und auch die Aufbau-und Ablauforganisation muss sich agil bzw. flexibel auf veränderte Rahmenbedingungen und Bedürfnisse der jeweiligen Stakeholder einstellen. Organisations-und Personalentwicklung lassen sich nicht mehr trennen und gehen „Hand in Hand“. All diese Entwicklungen haben auch Auswirkungen auf die zur Aufgabenerledigung notwendigen Kompetenzen der Mitarbeitenden.
Welche Rolle hat das Personalmanagement der Zukunft
Dem Personalmanagement der Zukunft kommt eine gestaltende Rolle zu. Es gilt, die (digitale) Transformation zu fördern und zu gestalten sowie auch kulturbildend zu wirken.Scheinbar noch immer vernachlässigt ist die sich abzeichnende Rolle bei der ökologischen Transformation in der öffentlichen Verwaltung. Moderne Feedbacksysteme können dies unterstützen, um auch zeitnah auf Veränderungen zu reagieren. Eine moderne Personalarbeit im Kontext New Work macht auch ein modernes Facility Management mit einem veränderten Raummanagement erforderlich. Benötigt werden Orte für Kooperation und Kollaboration, Kommunikation sowie Innovationen/ gerade auch mit Blick auf den Ausbau mobiler Arbeitswelten. Führungskräfte brauchen aber auch Beratung durch die Personalbereiche. Hier lassen sich Effizienzgewinne durch die Digitalisierung der klassischen Personalarbeit gewinnen, die in echte Personal- und Lernberatung reinvestiert wird.
Individuelle Kompetenzentwicklung gefordert
Eng damit verbunden ist auch eine stärkenorientierte individuelle Kompetenzentwicklung von der Einstellung bis zum beruflichen Ausstieg. Moderne Personalarbeit muss die aktuellen und die für die Zukunft benötigten Kompetenzen identifizieren – aber auch Defizite erkennen. Betroffenen sind immer zwei Ebenen: Stärken und Schwächen individuell auf Ebene der Mitarbeitenden sowie institutionell.
Was sind die erfolgskritischen Kompetenzen für eine moderne und digitale Arbeitswelt – Alter Wein in neuen Schläuchen?
Űber New Work wird schon seit den 70er Jahren diskutiert. Mit Blick auf die oben kurz skizzierten Entwicklungen sollte der Diskurs daher nicht ausschließlich auf die eine Digitalisierungskompetenz fokussiert sein. Für die moderne Arbeitswelt werden verschiedene Fertigkeiten, Fähigkeiten, Haltungen, Werte und damit Kompetenzen benötigt.
Nicht nur Umgang mit der IT
Die aktuell viel diskutierte Digitalisierungskompetenz wird mehr umfassen als die Bedienung der IT-Anwendungen. Zur Fach-und Methodenkompetenz zählen unstrittig das IT-Wissen und Erfahrungen sowie Kenntnisse der notwendigen datenschutzrechtlichen Bestimmungen. Die zunehmende Datenflut verlangt aber auch eine gewisse Filterfähigkeit von Informationen und Daten sowie die Fähigkeit auch zur Reflexion. Gerade die Erfahrungen mit dem Homeoffice haben gezeigt, dass z.B. Informations-und Kommunikationsfähigkeit sowie Resilienz wichtige Kompetenzen sind.
Die Bedeutung der sozialen Kompetenzen
Viele der in der analogen Welt geforderten Kompetenzen werden aus meiner Sicht auch weiterhin für die digitale Arbeitswelt benötigt. Verschiebungen dürften sich bei der Festlegung von Ausprägungsgraden der für die Aufgabenerledigung notwendigen Kompetenzen ergeben. Relevant sind die Kompetenzbeschreibungen, die sogenannten Verhaltensanker. Anforderungen können sich inhaltlich verändern, erhöhen oder auch verringern. Insbesondere die gerne so bezeichneten „weichen Kompetenzen“ wie die soziale und kommunikative aber auch personale Kompetenzen werden an Bedeutung zunehmen. Angesichts der zu antizipierenden steigenden fachlichen Komplexität und Heterogenität bei der Aufgabenerledigung werden zum Beispiel höhere Anforderungen an die Form und Intensität von Kooperation und Kollaboration zu stellen sein. Eine gute Kommunikationsfähigkeit und ein aktives Beziehungsmanagement sowie das Netzwerken innerhalb und außerhalb der eigenen Organisation werden relevant für die Performance. Public Value ist eine weitere interessante Facette insbesondere mit Blick auf die Diskussionen über Werte und Kultur. Gerade der Anreiz, sich zum öffentlichen Gemeinwohl beizutragen, fördert das Engagement der Beschäftigten und die Identifikation mit der Aufgabe. Mit Blick auf die „Neue Arbeitswelt“ und agile Strukturen muss auch verstärkt die Identifikation mit dem Team beachtet werden. Gerade hier ist die Rekrutierung gefordert.
Das Projekt E-Skills der Bundesagentur für Arbeit
Eine wesentliche Funktion eines modernen Personalmanagements wird es sein, zukunftsfähig und visionär die Kompetenzen zu definieren, die für eine erfolgreiche Aufgabenerledigung nötig sind – bei Bedarf sind auch Defizite zu analysieren.
Die Bundesagentur für Arbeit hat mit dem Ziel, das bestehende Kompetenzmodell zu aktualisieren, gemeinsam mit der Hochschule der BA das Forschungsprojekt „E-Skills“ durchgeführt. Anhand von Interviews und Reflektionsworkshops mit Praktikern&Innen verschiedener Bereiche und Hierarchieebenen, Auswertung der internationalen Literatur zum Thema sowie Beobachtungen von Arbeitsepisoden wurden die Anforderungen an die Kompetenzen der Beschäftigten in der Bundesagentur für Arbeit in einer zunehmend digitalen Arbeitswelt auf empirischer Basis in einem ersten Schritt ermittelt.
Ergebnis des Projekts E-Skills bei der Bundesagentur für Arbeit
Herausforderungen für Kompetenzmodelle
Das Ergebnis ist eine Herausforderung für jedes Kompetenzmodell als Basis für alle Prozessfunktionen im Personalmanagement und ebenso in der Organisationsentwicklung, Hier denke ich an Jobprofile oder Aufgabenbeschreibungen und andere Tools.
Stärker als bisher wird die Bereitschaft und das “sich Öffnen“ für Veränderungen gefordert sein. Initiative, Tatkraft und Flexibilität sind ebenso notwendig wie der Wille zur Umsetzung.
Insbesondere die für die mobile Arbeitswelt erforderliche Selbstorganisation benötigt eigenverantwortliches Handeln und die Übernahme von Verantwortung. Lernfähigkeit sowie die Bereitschaft zum Lernen sind erfolgskritische Kompetenzen für die Performanz der Organisationen. Eine Vielzahl an Informationen und von gelerntem Wissen ist zu „verarbeiten“ und in der Praxis anzuwenden. Erst dann liegt ein im klassischen Verständnis ein Kompetenzerwerb vor. All dies zahlt auch auf Digitalisierung bzw. die digitale Transformation ein.
Diversität erfordert Sensitivität einschließlich Empathie. Der Umgang mit Unsicherheit benötigt Resilienz und Belastbarkeit. Kreativität im Rahmen von Innovationsmanagement setzt auf „Querdenken“. Voraussetzung dafür ist auch eine Kultur, die das Lernen aus Fehlern fördert. Können, Wollen und Dürfen seitens der Organisation und der Mitarbeitenden einschließlich Führungskräfte sind auch für die Digitalisierung entscheidend.
Eine digitale Kultur benötigt auch Werte, um die Transformation effektiv zu gestalten. Sie dienen auch der Orientierung, um in der neuen digitalen Arbeitswelt sicher zu arbeiten und zu führen. Ein ganzheitliches Verständnis der Aufgabenerledigung und des eigenen Handelns ist insbesondere für das Agieren in digitalen Strukturen und Prozessen unabdingbar.
Mein persönliches Fazit bislang ist, dass man die 3 oder 4 D zusammendenken muss.
Welche Auswirkungen hat das alles auf Lernen
Ich würde zunächst nicht beim Lernen beginnen wollen.
Die richtige Rekrutierung als Basis
Ein wichtiger Schritt wird auch sein, kompetenzbasiert den „richtigen“ Nachwuchs für die moderne und digitale Arbeitswelt „möglichst passgenau“ zu den Anforderungen zu gewinnen. Hier sind gleichermaßen Organisations-und Personalentwicklung gefordert. Űber Kompetenzmodelle oder andere Formen muss definiert werden, welche Kompetenzen zukünftig für die jeweilige Organisation erfolgskritisch sind und welche fehlen. Mit Blick auf die Digitalisierung werden dies nicht nur die über die Aus– und Weiterbildung zu vermittelnden Fach-und Methodenkompetenzen sein.
Wir werden uns sicherlich auch fragen müssen, ob einige wichtige Kompetenzen wie zum Beispiel die Analyse-, Reflektions-, und Selbstlernfähigkeit schulbar sind oder aber auch nur langsam aufgebaut werden können.
Lernwelten verändern sich
Neben den „Klassikern“ wie zum Beispiel die Veränderung der Ausbildungsinhalte und der Lernpläne wird es auf den Einsatz verschiedener Lernformen und Lernumgebungen ankommen – auch ein gesunder Mix zwischen Theorie und Praxis erscheint erforderlich. Lebenslanges Lernen beginnt schon mit dem Onboarding und auch eventuell einem Lernpaten, der mit Organisations-und Erfahrungswissen beratend zur Seite stehen kann. Intergenerationales Lernen bietet hier eine Chance auch für die gesamte Organisation. Reverse Mentoring als PE-Instrument bietet einen Lösungsansatz. Mentoring, Coaching und Lernbegleitung sind ebenfalls wichtige Elemente, das Lernen zu fördern.
Innovationen fördern
Von Beginn an sollte die Lernfähigkeit über zeit-und ortsunabhängige Formate (neben Präsenzformaten) unterstützt werden. Seminare können mit Selbstlerntools sinnvoll auch über den Einsatz anderer digitaler Medien kombiniert werden. Eine gute Interaktion zwischen Auszubildenden, Lehrpersonal und Praktikern in einem Netzwerk erscheint wünschenswert. Vernetzung will früh praktisch geübt werden. Lern –und Innovationsräume und das Einbeziehen in Projektarbeiten macht Aus – und Weiterbildungen interessanter- bieten aber auch die Möglichkeit, Gelerntes in der Praxis zu erproben bzw. anzuwenden. IT-gestützte Tools zur Selbst-und Fremdeinschätzung sind wünschenswert. Neue Innovationstechniken wie Design Thinking sollten ebenfalls von Beginn an Teil der Ausbildung sein. Experimentierräume, Labore etc. bieten Alternativen zu bisherigen Präsenzformaten. Entsprechend müssen für diese Lernwelt mit verschiedenen Lernformaten entsprechende Räumlichkeiten gestaltet werden.
Ganzheitliche Personalstrategien gefordert
Kompetenzbasiert sollten alle Prozessfunktionen von der Rekrutierung, Ausbildung/Studium, Personalgewinnung mit Blick auf Digitalisierung und Wandel in der Arbeitswelt strategisch und konzeptionell auf ein gemeinsames Ziel ausgerichtet und miteinander verbunden werden. Das würde auch die Kompetenzentwicklung erleichtern.
Welche Kompetenzen sind an Führungskräfte zu stellen
Transformationale Führung ist der Schlüssel
Neben der Fach-und Methodenkompetenz der IT-Verfahren, neuen IT-gestützten Konferenztechniken, Umgang mit Social Media wird nunmehr ganz stark eine „alte“ Kompetenz wirksam- die transformationale oder mitarbeiterorientierte Führung. In diesem Kontext wird auch gerne von inspirierender Führung gesprochen. Selbstredend wird auch die transaktionale (ergebnis-und leistungsorientierte) Führung weiterhin als Basis für eine leistungsstarke Organisation gefordert sein. Mit leistungsorientierter, transaktionaler Führung ist man gut, aber mit mitarbeiterorientierter Führung besser. Mit dieser Devise lassen sich auch Veränderungsprozesse effektiver gestalten.
Den Wandel gestalten – Kultur prägen
Den Führungskräften kommt die Aufgabe zu, digitale Kultur und den Wandel ebenso wie zum Beispiel lernförderliche Arbeitsumgebungen zu gestalten. Gute Arbeitsbeziehungen und Arbeitsbedingungen mit erhöhter Partizipation der Mitarbeitenden an Entwicklungs-und Entscheidungsprozessen sind zudem Erfolgsfaktoren für das Engagement der Beschäftigten. Einstellungen und Verhaltensänderungen sind nur im Dialog „auf Augenhöhe“ zu erzielen. Dies ist ein Merkmal von „New Work“.
Beidhändige Führung als Herausforderung (Ambidextrie)
Insofern stehen Führungskräfte vor der Herausforderung, eine analoge und digitale Arbeitswelt zu managen, ihre Beschäftigten zu begleiten und Sinnstiftung beim Umgang mit vielfältigen Arbeitsformen und Herangehensweisen zu vermitteln.
Moderationsfähigkeiten sind stärker gefordert ebenso wie die Kommunikationsfähigkeit und die Fähigkeit zum Diskurs. Führungskräfte müssen deutlich stärker vernetzt intern wie extern, national wie international interagieren und kommunizieren. Führen in der digitalen Arbeitswelt erfordert verschiedene Strategien mit Unsicherheit umzugehen.
Ambidextrie, also die beidhändige Führung wird zur Herausforderung gerade mit Blick auf Digital Leadership und „Führung über Distanz“. Hier sind noch innovative Lösungsansätze gefordert. Aktuelle Studien geben durchaus den Hinweis, dass insbesondere das Mittelmanagement sich stärker belastet fühlt. Die Förderung der psychischen Gesundheit und das Wohlfühlen am Arbeitsplatz, Wellbeing in the Workplace, sind neue und herausfordernde Aufgaben moderner Personalarbeit der Zukunft.