Psychologische Verträge im Jahr 2040
Seit 17 Jahren arbeite ich nunmehr in der öffentlichen Verwaltung. Damals hat mich die Kampagne zur Arbeitgebermarke in Zeiten der Diskussionen rund um das Thema New Work angesprochen und schließlich davon überzeugt, keine Tätigkeit in der Privatwirtschaft anzustreben. Für mich war und ist es immer noch Ansporn und Herausforderung zugleich, einen Beitrag zur Gemeinwohlorientierung zu leisten. Entscheidend war aber auch, neben der Arbeitsplatzsicherheit und der Bezahlung, das umfangreiche Angebot zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben – also auch meine Life-Balance insgesamt. Versprochen waren ebenso die Möglichkeiten, zeitlich und räumlich flexibel, eigenverantwortlich und selbstorganisiert zu arbeiten. Es wurde viel im Rahmen des Einstellungsverfahrens versprochen- vieles wurde gehalten. Was gut war? Es wurden gleich zu Beginn die Erwartungshaltungen zwischen mir und meiner Arbeitgeberin geklärt!!! Wo diese später nicht einzuhalten waren, zum Beispiel wegen der Pandemie, Stellenabbau, Reorganisationen, wurde rechtzeitig mit mir der Dialog gesucht. Es wurden Alternativen aufgezeigt und neue Vereinbarungen getroffen. Gemeinsam haben wir so überwiegend eine neue Grundlage für die Zusammenarbeit und Förderung meines Engagements gefunden. „Führung war immer präsent”. Zusammengefasst sieht meine heutige Arbeitswelt so aus: der Psychologische Vertrag (PV) wurde gehalten und meine Erwartungshaltungen wurden nicht enttäuscht:
Abb. 1: Mein Arbeitsplatz 2040 – Der Psychologische Vertrag stimmt
Eigene Darstellung
Aus der Schilderung einer fiktiven Kollegin oder eines fiktiven Kollegen wird deutlich, dass das Wohlbefinden am Arbeitsplatz und damit gute Arbeitsbeziehungen und -bedingungen eine wichtige Grundlage bilden, sich für Arbeitgeberinnen zu entscheiden und sich längerfristig zu binden. Eine am Wohlbefinden am Arbeitsplatz ausgerichtete Personalstrategie beeinflusst das Engagement der Beschäftigten positiv und kann motivationsbedingte Fehlzeiten reduzieren. Auch steigen die Arbeitgeberreputation und das Image insbesondere mit Blick auf Rekrutierung und Bindung der Mitarbeitenden. Zudem besteht ein positiver Zusammenhang zwischen Wohlbefinden, Leistung und Work-Life-Balance¹.
Digitalisierung, Dekarbonisierung, Demografie und Diversität (die 4D’s) müssen gemeinsam und nachhaltig gemanagt werden. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Personalstrategien sollten daher die Ausgestaltung guter Arbeitsbeziehungen und Arbeitsbedingungen in jeder Lebensphase der Mitarbeitenden im Blick haben. Ziel ist es, die Arbeitsfähigkeit (Kompetenz, Gesundheit, Motivation) der Beschäftigten zu fördern und zu erhalten. Diese Zielsetzung ist völlig kompatibel mit den Bestrebungen, im Rahmen der Nachhaltigkeitsstrategie des Bundes auch ein nachhaltiges Personalmanagement in den Behörden zu etablieren. Dies geht in Theorie und Praxis weit über den Aufbau eines Diversitätsmanagements, ökologischer Nachhaltigkeit oder Mobilarbeit hinaus. Gefordert sind alle Prozessfunktionen im Personalmanagement – von der Rekrutierung über das Lernen und Personalentwicklung bis hin zum Gesundheitsmanagement und Förderung von Diversität. Hierüber können die finanziellen, ökonomischen und sozialen Ziele der Verwaltung mit Blick auf das Außen -und Innerverhältnis evidenzbasiert und durchaus langfristig erreicht werden.
Neben der Mitarbeitendenorientierung steht auch die Orientierung an den Bedürfnissen der Bürger und Bürgerinnen im Fokus. Dies entspricht auch dem Leitgedanken von „New Work“ (z.B. mehr Partizipation von internen und externen Stakeholdern bei Entwicklungen und Entscheidungen).
Mit Blick auf die ESG Kriterien (Environment, Social, Governance), die ein ganzheitliches Nachhaltigkeitsmanagement prägen, wird gerade das S und die Fokussierung auf die Mitarbeitenden im Wettbewerb um Fach – und Nachwuchskräfte immer bedeutsamer. Führung und Zusammenarbeit sowie ein von Wertschätzung und Akzeptanz geprägtes Betriebsklima sind wichtige Faktoren, neue Talente zu gewinnen und zu binden. Neben den arbeitsvertraglichen und beamtenrechtlichen Regelungen spielt auch der nicht schriftlich fixierte „psychologische Vertrag“, also die Erwartungen von Bewerbenden und Mitarbeitenden eine Bedeutung. „Der psychologische Vertrag geht über den juristischen Arbeitsvertrag hinaus und umfasst die wechselseitigen, meist impliziten, Angebote und Erwartungen in der Austauschbeziehung zwischen Arbeitgeber und Beschäftigten².“ Insofern hat der PV einen großen Einfluss auch auf die Gestaltung der Arbeitsbeziehungen und das Wohlbefinden am Arbeitsplatz³. Dies sind bekanntlich wesentliche Voraussetzungen für die Einführung eines nachhaltigen und die Inc(k)lusion fördernden Diversitätsmanagement. Insgesamt zeigen die Untersuchungen für die Schweiz einen „klaren Aufwärtstrend bei den arbeitnehmerseitigen Erwartungen⁴“. Insofern ist auch hier der Bezug zur Arbeitgeberattraktivität gegeben. Starke PV könnten dementsprechend auch künftige Arbeitgebermarken auszeichnen.
Psychologische Verträge in der sich entwickelnden Arbeitslandschaft
Wissenschaftlich begleitete interne Untersuchungen bei der Bundesagentur für Arbeit im Kontext der vor der Pandemie durchgeführten Engagementbefragungen zeigen deutlich den positiven Einfluss guter bzw. ausgewogener psychologischer Verträge auf die Performanz und die Zufriedenheit der Kundinnen und Kunden. Insgesamt sind starke psychologische Verträge wichtige Stellhebel zur Förderung des Engagements der Mitarbeitenden und sind eine wichtige Grundlage für die Leistungs -und Innovationsfähigkeit der Verwaltung. Neben der Organisation sind Führungskräfte die entscheidenden „Vertragspartner: Innen“. Die Zukunft der Arbeit und insbesondere die hybride Arbeitswelt wird auf einem kontinuierlichen Dialog und Individualisierung sowohl in der Personalarbeit als auch bei Führung und Zusammenarbeit setzen müssen. Bezogen auf den PV als Managementinstrument gilt wie im Privatleben so auch im Arbeitsleben die Devise: wenn viel versprochen und wenig gehalten wird, so kann dies zu Frust, zur Demotivation, inneren Kündigung oder erhöhter Personalfluktuation führen.
Die Gefahr, „psychologische Verträge“ situativ nicht einhalten zu können besteht insbesondere bei Veränderungsprozessen. Mehr denn je mit Blick auf anstehende Transformationsprozesse zum Beispiel auch im Kontext von KI und dem massiven Wandel der Arbeitswelt ist auch ein Kulturwandel notwendig. Dieser will gut auf institutioneller und individueller Ebene kommuniziert sein.
Da die Individualisierung in der Personal -und Führungsarbeit steigt, wird die Qualität des Dialogs zwischen Mitarbeitenden und Führungskräften entscheidend. Dies trifft insbesondere auf die Fallkonstellation zu, wenn zum Beispiel einstmals vereinbarte PE-Maßnahmen durch Veränderungen nicht zeitnah oder gar nicht umgesetzt werden können. Deshalb sollten Führungsinstrumente und Verfahren dialogfördernd ausgerichtet sein, wie es die nachstehende Abb. 2 verdeutlicht.
Der „psychologische Vertrag“ kann nach allen wissenschaftlichen Erkenntnissen damit ein wertvolles Managementtool sein. Erfahrungen in der Praxis zeigen aber auch, dass Akzeptanzprobleme bezüglich des Begriffs drohen. Ein aufwendiger Implementierungsprozess mit dem Ziel, Einstellungen zu verändern und Akzeptanz zu schaffen, erscheint unabdingbar. Auch wäre die Führungskräfteentwicklung entsprechend darauf auszurichten. Das mindert aber nicht die Bedeutung und die Möglichkeit, dieses effektive Managementtool als fundierte Grundlage für interne Weiterentwicklungen zu nutzen. Mit Blick auf die Förderung der mentalen Gesundheit könnten sich insbesondere Gesundheitsstrategien diesem Thema widmen, um das Betriebliche Gesundheitsmanagement neu auszurichten. Neben guten Arbeitsbedingungen werden gute Arbeitsbeziehungen gerade in diesem Kontext immer wichtiger.
Fazit:
In der praktischen Umsetzung sollten schon bei der Einstellung Erwartungshaltungen thematisiert und abgeklärt werden. Es gilt, Transparenz zu schaffen. Die gelebte Kultur von Führung und Zusammenarbeit ist entscheidend. Insofern ist ein offener Dialog im Rahmen von Führung und Zusammenarbeit sowie Offenheit, warum etwas nun doch nicht geht oder gar nicht möglich ist, geboten.“ Neuverhandlungen“ von PV und damit Erwartungshaltungen sind im Laufe eines langen Berufslebens meistens immer erforderlich. Kooperationsgespräche und Führungskräftefeedbacks bieten schon heute die Möglichkeit. New Work oder die Zukunft der Arbeit erfordern Transparenz und Offenheit sowie eine Individualisierung – damit auch starke psychologische Verträge als Grundlage für die Gestaltung der Zukunft.
Dieser Blog stellt die Meinung des Autors dar und spiegelt nicht grundsätzlich die Meinung des EIPA.
Interessiert an mehr?
Wenn Sie mehr über dieses Thema erfahren möchten, schauen Sie sich unsere kommenden Veranstaltungen an, indem Sie auf die Schaltfläche unten klicken:
Bibliography
- Frauenhofer IAO, Studie Office Analytics, 05/2017, Nr. 6.143
- Grote, G.,Staffelbach ,B. (Hrsg.): Schweizer HR-Barometer 2018,Integration und Diskriminierung. Universitäten Luzern, Zürich, ETH Zürich, S. 13
- Universität Zürich, ETH Zürich, Universität Luzern: Schweizer Human-Relations-Barometer, Herbstnewsletter 2019: Der psychologische Vertrag als Quelle für die Integration und Arbeitgeberattraktivität – www.hrbarometer.ch
- Grote, G. ,Staffelbach, B. (Hrsg.) : Schweizer HR Barometer 2022, Innovationen und Scheitern, Universitäten Luzern, Zürich und ETH Zürich), S. 60