Einleitung
Im Januar fand, veranstaltet durch das EIPA, ein Seminar zum Generationenmanagement statt. Immerhin arbeiten 3 bis 4 Generationen mit unterschiedlichen Erfahrungen und Wertvorstellungen sowie Erwartungshaltungen an ihre Arbeitgeber in den Unternehmen sowie in der öffentlichen Verwaltung. Dies verändert die Zusammenarbeit und stellt neue Herausforderungen an die Führung und die Gestaltung der Personalarbeit.
Wenn man an das Thema Neue Arbeitswelt denkt, sollte man auch Demographie sowie Diversität (Handlungsfeld Alter und Generationen) beachten und sich nicht ausschließlich auf Digitalisierung fokussieren: bis 2035 wird die erwerbstätige Bevölkerung in Deutschland um bis zu 7,5 Millionen schrumpfen (Klinger/Fuchs 2020). Die Baby-Boomer verlassen bald die Betriebe und Verwaltungen und damit gehen Wissen und Erfahrungen potentiell verloren, wenn nicht rechtzeitig Vorkehrungen zum Beispiel für den Wissenstransfer getroffen werden. Gleichzeitig zeigen Studien von Anger et al. (2018) aus dem IAB und eine Untersuchung des Deutschen Instituts für Altersvorsorge (2015), dass unter den persönlichen und finanziellen Motiven aller Personen neben einer Rente weiterhin einer regelmäßigen Erwerbsarbeit nachzugehen oder arbeiten zu wollen, die sozialen überwiegen. Eine Mehrzahl der Beschäftigten gibt an, sie hätten Spaß an der Arbeit und wünschen sich Kontakt zu anderen. Es ist durchaus schon länger bekannt, das sich insbesondere lebensältere Mitarbeitende sehr stark sowohl mit ihren Aufgaben als auch mit ihren Arbeitgebern identifizieren. Auch steigt die Zahl der Betriebe, die immer öfter Mitarbeitende nach Renteneintritt weiterbeschäftigen und damit Ressourcen sichern wollen. Gerade in Zeiten der Krise konnten in vielen Bereichen der öffentlichen Verwaltung bereits sich im Ruhestand befindliche Mitarbeitende zur Unterstützung gewonnen werden.
Zu den negativen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie gehörte in vielen Betrieben das Auftreten von personellen Engpässen aufgrund von Krankheit, Quarantäne oder Betreuung Angehöriger. In der IAB-Studie „Betriebe in der Covid-19-Krise“ haben im August 2020 7 % der stark negativ betroffenen, 20 % der schwach negativ betroffenen und sogar 74% der nicht negativ von der Krise betroffenen Betriebe einer entsprechenden Aussage zugestimmt (Bellmann et al. 2020). Mit der Veränderung der Hinzuverdienst-Regelungen für Renten wegen voller Erwerbsminderung oder vorgezogene Altersrenten hat der Gesetzgeber reagiert. 2020 betrug diese Freigrenze 44.590 €, 2021 stieg sie auf 46.060 € und ab 2022 wird sie wieder auf das alte Niveau von 6300 € gesenkt, um die Deckung des in der Pandemie gestiegenen Bedarfs an medizinischem Personal und durch Personalengpässe, die in anderen Bereichen durch Covid-19 entstanden sind, durch die Weiterarbeit oder Wiederaufnahme einer Beschäftigung nach Renteneintritt zu erleichtern. Allerdings der Anteil der abhängig Beschäftigten, die nach Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze weiterarbeiten, im letzten Jahr bedingt durch die Covid-19-Krise nicht mehr gestiegen (Westermaier 2019, 2020).
Mit Blick auf den weiterhin vorhandenen Fachkräftemangel trotz Zuwanderung liegen hier potentiell verborgene Talente und Ressourcen zur Erhalt der Leistungsfähigkeit von Organisationen (vgl. Behrens/Eitner 2020). Es stellt sich die Frage, wie der Übergang zwischen beruflicher und nachberuflicher Lebensphase ausgestaltet werden kann. Weitere wichtige Fragen lauten: Wie kann man die ältere Generation mitnehmen? Wie vermeiden wir den Wissens-und Qualifikationsverlust für die Organisationen? Wie wird im intergenerationalen Zusammenhang gearbeitet? Diese Fragen müssen wir beantworten vor dem Hintergrund des Tempos, mit dem sich die Technologie entwickelt: Schon heute liegt in vielen Berufen die Halbwertszeit von Wissen bei maximal fünf Jahren. Das bedeutet, dass Investitionen erforderlich sind, um Menschen zu befähigen, bei diesen Veränderungen mitzuwirken und diese möglichst aktiv auch mitzugestalten. Es gilt, die Beschäftigungsfähigkeit über alle Lebensphasen hinweg (Kompetenz, Gesundheit, Engagement zu fördern und Anreize für lebenslanges Lernen zu bieten (vgl. Behrens/Flüter-Hoffmann 2021). Auch wenn Diversität sich nicht nur auf das Lebensalter beziehen sollte, sondern auch verschiedene Geschlechter und Ethnien und mehr umfassen muss, soll Age Diversity in unserem Beitrag erneut im Mittelpunkt stehen.
Alter und Generationen im Diversitätsmanagement
Entscheidend ist, dass mit Age Diversity Unternehmen und Verwaltungen erfolgreicher sein können, weil ein breiterer Pool unterschiedlicher Perspektiven, Netzwerke, Kompetenzen und Wissen altersgemischte Teams produktiver macht und die Mitarbeiterfluktuation reduziert (Sander 2020). Diese Produktivitätsvorteile wirken sich stärker bei komplexen und neuartigen Herausforderungen aus. Die Beschäftigung Älterer erscheint auch dort besonders wichtig, wo Ältere über handlungsrelevantes Wissen verfügen, das (noch) nicht in Datenbanken abgelegt und/oder an jüngere Kolleginnen und Kollegen vermittelt werden kann.
Probleme der Age Diversity liegen vor allem in der Kommunikation: Für Ältere haben Werte wie materielle Sicherheit eine größere Bedeutung als für Jüngere, die Sinn in ihrer Arbeit suchen. Ältere bevorzugen eher einen hierarchischen Arbeitsstil, arbeiten direkt und setzen sich besser durch. Jüngere haben ein größeres Bedürfnis nach Feedback und wünschen sich mehr Harmonie auch am Arbeitsplatz (Kreyßig 2018). Bestehende Konflikte könnten durch gute Führung vermieden werden (Sander 2020). Hinzuweisen ist aber auch darauf, dass ältere Beschäftigte, die sich diskriminiert fühlen, ihr Know-how weniger oft an jüngere Kollegen weitergeben (Fasbender/Gerpott 2021). Weiterhin sind auch spezifische Trainings für Führungskräfte und faire HR-Prozesse erforderlich, um Generationenvielfalt gezielt zu fördern (Sander 2020). Empirische Evidenz gibt es auch dafür, dass Defizite (noch) im Diversity Controlling und der Festschreibung von Diversity-orientierten Zielvorgaben in den Zielvereinbarungen bestehen (Beham 2016).
Onboarding und Offboarding im Kontext der Lebensphasen
Angesichts der zu erwartenden Personalfluktuation der Baby Boomer und damit verbundenen Herausforderungen bei der Deckung des Personalersatzbedarfs liegt der Fokus aktuell mehr auf dem Onboarding der Beschäftigten- also der schnellen fachlichen und sozialen Integration bzw, Inklusion in die Organisationen. Eine höhere und schnellere Leistungsfähigkeit sowie Mitarbeiterbindung sind ebenfalls die Ziele. Das Engagement der Beschäftigten sowie die Performanz sowie Produktivität der Gesamtorganisation soll gefördert werden.
Diese Argumente können aber ebenso herangezogen werden, wenn es um die Notwendigkeit der Begleitung in den Ruhestand geht (vgl. Behrens/Eitner 2020/21). Handlungsleitend ist dabei das Verständnis bzw. die Definition von Talentmanagement. In einem breiteren Verständnis hat jeder Mitarbeitende Kompetenzen und Talente, die es gilt vom Anfang bis zum Ende stärkenorientiert zu fördern. Das Onbording wie das Offboarding können zudem eine Kultur von Führung und Zusammenarbeit in der Organisation prägen und das intergenerationale Miteinander fördern.
Abbildung 1: Die Lebensphasen als strategischer Ansatzpunkt
Stieger (2018) spricht bewusst schon von 4 Lebensphasen: Ausbildung, Berufstätigkeit, Freitätigkeit, Ruhestand.
Es wird aus unserer Sicht deutlich, dass man analog zu Onboarding Prozessen auch einen strukturierten Offboarding Prozess betriebsintern etablieren sollte (vgl.Behrens/Eitner 2020). Beide Prozesse lassen sich unter intergenerationalen Aspekten gut verknüpfen. Dazu gehören folgende Elemente neben den allgemeinen verwaltungsorganisatorischen Regelungen, z.B.:
Regelmäßige Mitarbeitergespräche in denen auch die Arbeitssituation Älterer thematisiert werden – neben Leistungsfeedback und Kompetenzentwicklung allgemein.
- Intergenerationales Lernen, Reverse Mentoring,- Verbindungsmöglichkeiten mit dem Onboarding, um Wissen Älterer an die jüngere Generation weiterzugeben
- Wissenstransfer
- Identifikation von Potenzial für den Ruhestand
- Vorbereitungsseminare auf den Ruhestand mit Impulsen bis hin zur Förderung des gesellschaftlichen Engagements
Alle hier nur exemplarisch aufgezeigten Elemente werden langfristig eine größere Wirksamkeit entfalten, wenn die Beschäftigungsfähigkeit (Kompetenz, Gesundheit, Engagement) über alle Lebensphasen hinweg gefördert wird.
Erhaltung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit Älterer
Ilmarinen (2006) sieht in der Arbeitsfähigkeit das Zusammenspiel der persönlichen Fähig- und Fertigkeiten mit den Anforderungen des Arbeitsmarktes. Die physische und psychische Gesundheit, Kompetenzen, Motivation, Einstellungen, arbeitsplatzbezogene Anforderungen und Belastungen sind für die Arbeitsfähigkeit zentral. Ansatzpunkte für die Aufrechterhaltung der Kompetenzen, Gesundheit und Motivation ergeben sich deshalb beispielsweise in den Bereichen Bildung, Arbeitsplatz- und Arbeitszeitgestaltung, Arbeitsorganisation, Gesundheitsschutz, Laufbahngestaltung und Unternehmenskultur.
Die Ergebnisse des IAB-Betriebspanels in Tabelle zeigen, dass der Anteil der Betriebe, die für ältere Beschäftigte Maßnahmen zur Erhalt ihrer Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit anbieten, eher gering und im Zeitablauf sogar leicht gesunken ist (Bellmann et al. 2018a, 2018b).
Tabelle: Anteil der Betriebe mit Maßnahmen für Ältere Beschäftigte im Zeitverlauf, in Prozent
2006 | 2008 | 2011 | 2015 | |
Altersteilzeit | 10 | 9 | 8 | 5 |
Besondere Ausstattung der Arbeitsplätze | 1 | 2 | 2 | 3 |
Individuelle Anpassung der Leistungs-/Arbeitsanforderungen | 2 | 2 | 4 | 5 |
Altersgemischte Besetzung von Arbeitsgruppen | 5 | 5 | 6 | 5 |
Einbeziehung Älterer in betriebliche Weiterbildung | 6 | 6 | 9 | 7 |
Spezielle Weiterbildung für Ältere | 1 | 1 | 1 | 1 |
Einbeziehung Älterer in Maßnahmen zur Gesundheitsförderung | – | – | 4 | 4 |
Andere Maßnahmen für Ältere | 1 | 1 | 1 | 1 |
Quelle: Bellmann et al. (2018a, 2018b), Berechnungen auf der Basis des IAB-Betriebspanels.
In der Erhebung 2015 erwies sich mit 7 % der Nennungen die betriebliche Weiterbildung als das wichtigste Instrument, gefolgt von der besonderen Ausstattung des Arbeitsplatzes (5 % der Nennungen) sowie der individuellen Anpassung der Leistungs- bzw. Arbeitsanforderungen (ebenfalls 5 % der Nennungen) und der Altersteilzeit (ebenfalls 5 % der Nennungen). Allerdings wird die Altersteilzeit in den weitaus meisten Fällen im Blockmodell realisiert, was eben nicht der (Weiter-) Beschäftigung bis zur Altersgrenze, sondern einem vorzeitigen Übergang in den Ruhestand dient und mit einem (vorzeitigen) Ausscheiden aus dem Erwerbsleben verbunden ist.
Damit lässt sich ein klares Defizit bei der Verbreitung von betrieblichen Maßnahmen zur Förderung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit Älterer konstatieren.
Abbildung 2: Anteil der Betriebe mit Maßnahmen für ältere Beschäftigte (50+) nach Betriebsgröße 2015, in Prozent
Basis: Betriebe mit älteren (über 50-jährigen) Beschäftigten.
Quelle: Bellmann et al. (2018a, 2018b) auf der Basis des IAB-Betriebspanels 2015
Aus der Abbildung geht hervor, dass der Grad der Verbreitung dieser Maßnahmen in Betrieben mit 500 und mehr Beschäftigten bei 87 % liegt, aber schon in der Größenklasse von 100 bis 499 Beschäftigten mit 65 % wesentlich geringer ist. In kleineren und mittleren Betrieben reduziert sich der Anteil der Betriebe mit wenigstens einer Maßnahme von den in der Tabelle 2 genannten Maßnahmen zu Erhalt ihrer Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit dann weiter. Damit wird deutlich, dass die Betriebsgröße einen wesentlichen Einfluss ausübt.
Insgesamt sind vor allem die Ergebnisse zur Weiterbildungsbeteiligung enttäuschend, gerade vor dem Hintergrund der zunehmenden Bedeutung der Notwendigkeit der Weiterentwicklung der Fähigkeiten und Kompetenzen in Verbindung mit der Digitalisierung. Wie groß das Defizit (noch) ist, geht auch aus den Daten des IAB-Betriebspanels hervor. Erfreulicherweise ist danach der Anteil der weiterbildenden Betriebe an allen Betrieben deutlich von 36 % im Jahre 2001 auf 53 % im Jahre 2017 gestiegen. Auch der Anteil der Weiterbildungsteilnehmer kletterte im selben Zeitraum von 18 % auf 35 %. Mit dem zuletzt genannten Anteil lässt sich der Anteil der Betriebe, die ihre älteren Mitarbeiter in die betriebliche Weiterbildung einbeziehen, durchaus vergleichen. Nach Tabelle beträgt er nur 7%. Etwas höher ist dieser Anteil, wenn spezielle Weiterbildung für ältere berücksichtigt wird. Allerdings ist in diesem Zusammenhang auch zu bedenken, das HR-Praktiken, die sich gezielt an ältere Beschäftigte richten, den negativen Auswirkungen einer wahrgenommenen Diskriminierung aufgrund des Alters nicht entgegenwirken können (Fasbender/Gerpott 2021).
Schlussbemerkungen
In den letzten Jahren haben zunehmend ältere am Erwerbsleben teilgenommen und damit der Verknappung der Fachkräfte entgegengewirkt. Damit konnten die Vorteile der Age Diversity für die Betriebe genutzt werden. Obwohl die Aufrechterhaltung der Kompetenz, Gesundheit und Motivation sowie die Verringerung der arbeitsplatzbezogenen Anforderungen und Belastungen für die Erhaltung der Arbeits- und Beschäftigungsfähigkeit der Älteren anerkannt sind, lässt die Verbreitung entsprechender betrieblicher Maßnahmen zu wünschen übrig. Diese Entwicklungen stehen im Widerspruch zur Notwendigkeit der Integration der Älteren in der Erwerbstätigkeit vor dem Hintergrund des Übergangs der „Babyboomer-Generation“ in den Ruhestand. Vorbereitung von hochqualifizierten Frauen auf die nächsten Karriereschritte scheint aus dieser Perspektive als besonders interessant.
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